2 Wochen, 4 Räder, 1 Rundreisetraum

Stellt euch einmal vor, ihr macht in einem Mustang den Highway No. 1 2024 unsicher, rechts die endlosen Weiten des Pazifischen Ozeans, links wechseln sich saftige Wälder mit Weltmetropolen und beschaulichen Küstendörfern ab. Ich rate euch, bleibt flexibel, bleibt offen für die kleinen und großen Überraschungen, die euch solch eine Reise bietet.

Nachdem ich durch meinen einjährigen Aufenthalt an der Ostküste diese bereits bestens erkundet hatte, wollte ich unbedingt auch den „Goldenen Westen“ kennen lernen. Schließlich lernte ich ihn im Laufe der Rundreise sogar lieben, übrigens noch mehr, als meine damalige Wahlheimat.
Unsere Mietwagenrundreise beginnt in San Francisco. Unaufgeregt, aber auf keinen Fall unspektakulär, präsentiert sich The City by the Bay, wie die Weltstadt liebevoll genannt wird. Uns bietet sie den perfekten Auftakt einer zweiwöchigen Tour, die durch drei Bundesstaaten führen wird. Entspannend sind die Spaziergänge entlang der Hafenpromenade, mit denen ihr den Tag ebenso perfekt beginnen, wie ausklingen lassen könnt. Frühaufsteher werden belohnt: Sie erleben einen Bilderbuch-Sonnenaufgang, bei dem die Golden Gate Bridge ihrem Name alle Ehre macht und rot-gold funkelt. Euer Frühstück genießt ihr am besten in der Nähe des Bankenviertels mit Blick auf den Hafen. Dann könnt ihr nämlich die anlegenden Fähren beobachten, die im Minutentakt die arbeitende Bevölkerung in ihre Büros entlassen. Gut gestärkt erkunden wir San Francisco per pedes und natürlich mit den Cable Cars. In die besonders steile Lombard Street fahren diese aber nicht – der sagenhafte Blick über die Stadt macht das kleine Workout bei gut 30 Grad Celsius aber wett. Das Abendessen nehmen wir unten am Hafen ein, in einem der großartigen Fisch- und Meeresfrüchte-Restaurants an Fisherman’s Wharf. Überhaupt: Fangfrischer Fisch lässt sich in den Küstenregionen Kaliforniens in allen Facetten genießen. Das habe ich buchstäblich ausgekostet. In zwei Tagen San Francisco können wir bequem und stressfrei die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie Alcatraz, China Town, die stilvollen viktorianischen Seven Sisters, auch bekannt als „Painted Ladies“, besichtigen und eine Spazierfahrt über die Golden Gate Bridge realisieren.

Wir verabschieden uns am frühen Morgen. Mit Zwischenstopp im malerischen Carmel by the Sea und einer Badepause am Strand, besichtigen wir in unserem Tagesziel Monterey dessen berühmtes Meeresaquarium. Nehmt euch ruhig Zeit, hier warten 550 Tierarten und 35 000 Tiere auf euren Besuch. Direkt vor dem Aquarium nutzen wir die Gelegenheit und begegnen der kalifornische September-Hitze mit einem typisch amerikanischen Eis: Stellt euch aus euren Lieblingssorten und -süßigkeiten eure ganz persönliche Eiscreme zusammen. Da geht ein Kindheitstraum in Erfüllung!

Auf der Weiterfahrt zu unserem nächsten Tagesziel, der Metropole Los Angeles, treffen wir auf ein echtes Juwel der American Riviera: Bei Santa Barbara musste der liebe Gott einen besonders guten Tag gehabt haben – bildhübsche Häuser im spanisch-viktorianischen Stil, eine mit Palmen gesäumte Promenade, fröhlich-freundliche Menschen; und das alles auf deutlich weniger Fläche und ohne die Hochbauten der Großstädte. Bei unserer Rundreise reichte es nur zu einer Badepause und kurzen Stadterkundung. Wer flexibel ist, sollte an diesem hübschen Fleckchen Erde unbedingt länger bleiben.
Die Stadt der Stars und derer, die es werden wollen, präsentiert sich erwartungsgemäß ein bisschen schrill. Gleichzeitig ist Los Angeles bunt, sowohl hinsichtlich seines nächtlichen Farbspektrums, als auch bezüglich des vielfältigen Aktivitätenportfolios das hier angeboten wird. Wir nutzen den Tag nach der Anreise für eine Stadtrundfahrt auf dem dachlosen Obergeschoss eines Doppeldeckerbusses. Dabei darf der Walk of Fame freilich ebenso wenig fehlen, wie die so beliebte wie kostspielige Wohngegend Beverly Hills mit dem nahe gelegenen, luxuriösen Einkaufsparadies am Rodeo Drive. Die Universal Studios über der Stadt versprechen tatsächlich Hollywood im Kleinen – und damit Spaß und Spannung auf hohem Niveau. Hier, über den Dächern LAs, genießen wir direkt vor den Toren der Studios ein landestypisches, gutes kalifornisches Dinner im „Saddle Ranch Chophouse“ – einer Mischung aus Hard Rock Café und Saloon.

„Von Mexiko nach Kanada“ – mit diesem Slogan wirbt unser nächstes Tages- und letztes Städteziel in Kalifornien, Palm Springs. Die Oase im ariden Coachella Valley übertreibt nicht, geht es doch um den Temperaturunterschied zwischen der Stadt und dem Mount San Jacinto, dem sie zu Füßen liegt. Überredet! So fahren wir mit der längsten Luftseilbahn der Welt, der Aerial Tramway, hoch hinaus und überwinden dabei mehrere Klimazonen. Stimmt schon, oben angekommen, weht ein kühler, nach der langen Autofahrt von LA aber nicht unangenehmer, Wind. Die frische Luft macht Appetit und zurück im Tal genießen wir nicht nur gutes Essen, sondern auch die kleinen Wasserspender, die direkt im Palmenstamm angebracht sind und in erster Linie die Pflanzen gleichmäßig mit Wasser versorgen sollen. Die Erfrischung unserer wieder erhitzten Körper ist ein uns willkommener Nebeneffekt. Über den Yoshua Tree National Park fahren wir nach Phoenix, der Hauptstadt von Arizona. Subtropische Palmen weichen meterhohen Kakteen, der azurblaue Ozean liegt hinter und ein Meer aus rotem Sand und Gestein vor uns: Arizona präsentiert sich in einer ganz anderen Facette von Schönheit. Ein deftiges, regionsspezifisches Abendessen und einige entspannte Stunden Schlaf später brechen wir nach Sedona auf – der Perle des „Red Rock Country“. Kunstinteressierten sei eine der Galerien ans Herz gelegt. Wir erkunden die nähere Umgebung und damit den Lebensraum der Singuan Indianer. Abendbrot in Form von Picknick mit Blick über den Grand Canyon: Es könnte uns schlechter treffen. Wir lassen unseren „Natur pur“-Tag ausklingen, indem wir auf den Sonnenuntergang warten – den Moment des Tages, an dem sich die Schlucht für einige Minuten in ein Meer aus warmen Farben verwandelt: Ein Naturspektakel, das seinesgleichen sucht. Wir jedenfalls sind beeindruckt, wie schon so oft auf dieser Reise.

Während der Colorado River über Jahrmillionen hinweg im Colorado Plateau seine ganze Kraft unter Beweis stellte, indem er die Grand-Canyon-Schlucht ins Gestein grub, wird er gute 250 Meilen westlich deutlich gebremst: Mächtig und stolz ist er schon von weitem erkennbar: Der Hoover Dam, der nicht nur den Colorado staut, sondern Arizona von Nevada abgrenzt. Hauptaufgabe des so entstandenen Lake Mead Stausees ist die kontrollierte, gleichmäßige Wasserabgabe an Kalifornien, Arizona und Nevada. Uns ist die Talsperre vor allem ein Zeichen, dass Sin City Las Vegas nur noch gute 50 Kilometer entfernt liegt.
Vorfreude und Aufregung paaren sich – Was erwartet uns? Wir haben beide unsere Vorstellung, mein großer Bruder und ich. Aber letztendlich ist es doch so: Städte wie Las Vegas lassen sich weniger beschreiben, denn erleben. Unser Hotel liegt direkt am Strip, dem Dreh- und Angelpunkt des (Nacht-) Lebens der Stadt, obwohl er eigentlich außerhalb der Stadtgrenzen liegt. Das Konzept ist clever und in wohl jedem Hotel gleich: Um zur Rezeption zu gelangen, müssen wir erst einmal das ganze Casino, das sich im Erdgeschoss des Hotels befindet, durchqueren. Uhren gibt es nicht – dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde. Wenn die künstlichen Lichter abgeschaltet sind und die Künstler, Spieler und Dienstleistungsmitarbeiter Kräfte sammeln für den Abend, ist Las Vegas zwar viel, viel ruhiger, aber nicht so unspektakulär, wie man vermuten könnte. Wir nutzen die Gelegenheit für ein gutes Mittagessen im Hard Rock Café neben dem gleichnamigen Hotel und erkunden die jetzt ergraute Stadt hinter der Partymeile des Strip, bevor wir unseren letzten Abend noch einmal in vollen Zügen genießen.

„Nehmen Sie genug Wasser mit!“, haben sie gesagt. „Nächste Tankstelle 100 Meilen entfernt“ warnen auch die Schilder. Wir leisten Gehorsam, kaufen mehrere Gallonen Wasser und einige verzehrfertige Snacks. Man weiß ja nie, schon gar nicht im Death Valley. Eigentlich sollte dieser nicht umsonst als Tal des Todes bezeichnete Wüstenabschnitt nur eine spannende Zwischenetappe zwischen Las Vegas und dem Yosemite Nationalpark werden. Unsere Vorsorge sollte sich jedenfalls auszahlen. Die Jahresdurchschnittstemperatur im Tal beträgt 27 Grad Celsius. Wir hatten 40, die sich im klimatisierten Auto bestens aushalten lassen – so es denn fährt. – Verliert mal Öl mitten in der Wüste, bis das Auto zum Stillstand kommt, selbstverständlich mittags 12 Uhr. Ironie des Schicksals, dass der Pannenservice die Sierra Nevada großzügig umfahren muss, weil auf dem Pass bereits Schnee liegt.

Sechs Stunden später und wieder mobil, vertagten wir den Yosemite National Park als letzte Etappe der Reise auf den Folgetag und buchen spontan ein Zimmer auf halbem Weg in Bishop. Das hat auch etwas Gutes: Wir können gut erholt den ganzen nächsten Tag für den Park nutzen, da wir erst abends in San Francisco im Hotel sein müssen, wo wir vor unserem Abflug sowieso nur übernachten wollten – die Stadt hatten wir ja bereits gesehen. Nach der eher spärlichen Vegetation der letzten Tage und der inszenierten Extremstadt Las Vegas ist das unberührte, natürliche Parkidyll, in dem sich höhenbedingt fünf verschiedene (!) Ökosysteme befinden, eine sehr willkommene Abwechslung. Mit unserer Ankunft in San Francisco am Abend lassen mein großer Bruder und ich diese beiden eindrucksvollen, inspirierenden, aktiven, aber auch erholsamen Wochen Revue passieren. Fazit: eine wunderbare Zeit – trotz, oder gerade aufgrund, charmanter kleiner Pannen, derer es letztendlich bedarf, um aus einem Erholungsurlaub eine Erlebnisreise 2024 zu machen.